Deutschland wird der EU-Lieferketten-Richtlinie nicht zustimmen
Eigentlich galt die Sache als beschlossen: Im Dezember einigten sich 27 Unterhändler:innen der EU auf den Inhalt der EU-Lieferketten-Richtlinie. Die Zustimmung des Rates der EU-Mitgliedstaaten, sowie des Parlaments galt – wie bei der Gesetzgebung der EU üblich – als Formsache. Dafür hat man sich ja schließlich bereits im Dezember zusammengesetzt. Allerdings wurde nun bekannt, dass Deutschland seine Stimme doch enthalten wird. Der Grund dafür ist wohl die FDP.
Kurz erklärt: Lieferkettengesetze
Neben dem EU-Vorhaben hat Deutschland bereits ein eigenes Lieferkettengesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten müssen Menschenrechtsverletzungen und Umweltsünden in ihrer eigenen Lieferkette verhindern. Von dem Gesetz sind in Deutschland etwa 2.900 Unternehmen betroffen.
Die EU-Lieferketten-Richtlinie geht weiter: Diese will Unternehmen ab 500 Beschäftigte in die Pflicht nehmen.
Zu viel Bürokratie
Bereits kürzlich stellte sich die Frage, ob die FDP eine Blockade der EU-Lieferketten-Richtlinie bewirken wird. Man nannte das Vorhaben einen „Bürokratie-Burnout“. Die „unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden“ würden „die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft bedrohen“. Finanzminister Lindner und Justizminister Buschmann, beide bekanntlich von der FDP, bleiben auch bei ihrer Kritik, während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zuletzt versucht hatte, noch zu vermitteln. So schlug er einen Kompromiss vor, bei dem es keine doppelten Berichtspflichten geben sollte. Das hätte weniger Bürokratie zur Folge gehabt. Auch sollte verankert werden, dass große Unternehmen ihre Berichtspflichten eben nicht auf die kleineren Unternehmen abwälzen können, die gar nicht vom Gesetz betroffen sind. All das hat nichts gebracht. Die Kompromissversuche sind beendet.
Doch warum kommt der Widerstand gerade jetzt? Wie die Tagesschau berichtet, kritisiert die FDP, dass die Unterhändler:innen ihr Mandat überschritten hätten.
Unklare Zukunft der EU-Lieferketten-Richtlinie
Da die FDP dem EU-Vorhaben nicht zustimmen wird, muss sich Deutschland nun bei anstehenden Abstimmungen enthalten. Für Heil ist diese Blockade „ideologisch motiviert“. Man werde bei den anderen Partnern der EU auf Unverständnis treffen.
Im Vorfeld wurde darüber diskutiert, dass die Enthaltung keine Auswirkungen haben dürfte. Das sieht nun aber anders aus: Auch andere EU-Mitgliedstaaten haben ihre Zweifel angemeldet, womit unklar ist, ob das Vorhaben noch eine Mehrheit bekommt.
Sozialverbände enttäuscht, Wirtschaftsverbände erfreut
Für die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ist die Blockade ein wichtiges Zeichen. Auch andere Wirtschaftsverbände begrüßen diesen Weg. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dürfte die Enthaltung begrüßen. Im Vorfeld hieß es aus dem Verband, dass der EU-Lieferketten-Richtlinie „komplett wirklichkeitsfremde Vorstellungen zugrunde [liegen], die den Unternehmen uneinlösbare Pflichten aufbürden würden.“
Umwelt- und Sozialverbände finden jedenfalls auch klare Worte.
„Die deutsche Enthaltung ist ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind“, teilte Armin Paasch von der Hilfsorganisation Misereor mit.
Germanwatch spricht von einem erschreckenden Maß „an europapolitischer Verantwortungslosigkeit“ und wirft dem Bundeskanzler Scholz weiter vor, dass sich die Regierung vom kleinsten Koalitionspartner die Agenda diktieren lasse. Vom WWF kommt die Aufforderung, dass Scholz seine Richtlinienkompetenz nutzen solle.
Geschrieben von Sandra May
Dieser Artikel wurde zuerst auf dem Portal Onlinehändler-news.de veröffentlicht.